January 7, 2025

Fragen und Antworten zum neuen Masterstudiengang "Sustainability Studies" an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Felix Girke
Manager Fonds für Innovation und Transfer, Programmleitung Arbeit & Talente und Nachhaltige Vierländerregion
Nachhaltige Fragestellungen sind oft komplex und verlangen eine neue Art von Bildung: praxisnah, zukunftsorientiert und interdisziplinär. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen hat mit dem innovativen projektorientierten Masterstudiengang „Sustainability Studies“ ein Bildungsangebot geschaffen, das wissenschaftliche Expertise und praktische Relevanz vereint und es Studierenden ermöglicht, ein individuelles fachliches Profil zu entwickeln. In drei Semestern vermittelt der Studiengang fundiertes Wissen und konkrete Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer Zeit.

Felix Girke, Programmleiter "Nachhaltige Vierländerregion" beim W4, hat das Gespräch mit Dr. Clemens Möller gesucht, Professor für Biophysik und Leiter des Studiengangs.

FG: Wie gelingt es Ihnen, die unterschiedlichen Dimensionen von Nachhaltigkeit - ökologisch, sozial und wirtschaftlich - aufeinander zu beziehen und im Studiengang unter einen Hut zu bringen? Und welche Fächer sind eigentlich beteiligt?

CM: An unserem Studiengang beteiligen sich alle vier Fakultäten unserer Hochschule: Engineering, Life Sciences, Business Science and Management sowie Informatik. Jede bringt unterschiedliche Perspektiven und Kompetenzen ein, die den Studierenden einen breiten und vernetzten Blick auf Nachhaltigkeit ermöglichen.

Viele Aufgaben und Fragestellungen aus dem Bereich der Nachhaltigkeit basieren auf eng miteinander verbundenen Herausforderungen, beispielsweise Ressourcen- und Energieverbrauch, Lebenszyklusanalysen, Recyclingfähigkeit und digitalen Innovationen, sowie Veränderungsmanagement und innovativen Geschäftsmodellen. Ergänzt werden sie durch regulatorische Anforderungen, Berichtspflichten und, ganz besonders wichtig, grundlegende Zukunftskompetenzen – Problemlösungsvermögen, Kreativität und Kommunikationsfähigkeiten.

Unser Ziel ist es, den Studierenden das nötige Rüstzeug an die Hand zu geben, um mit diesen Herausforderungen kompetent umzugehen. Gleichzeitig sollen sie in spezifischen Projekten fachliche Tiefe erreichen. Die Studierenden arbeiten also an unterschiedlichen Projekten, erkennen aber die Vernetzung zwischen den Themen. Der interdisziplinäre Ansatz hilft ihnen, die wechselseitigen Verbindungen zwischen den verschiedenen Fachgebieten zu erkennen und zu nutzen.

FG: Wie können wir uns die Ausgestaltung des Studiengangs konkret vorstellen? In welchen Formaten wird der interdisziplinäre, praxisorientierte Zugang abgebildet?

Der Kern des Studiengangs "Sustainability Studies" ist seine ausgeprägte Projektorientierung. Studierende arbeiten an praxisnahen Projekten, von nachhaltigen Lösungen in der Textilbranche über digitale Nachhaltigkeit bis hin zu Innovationen im produzierenden Gewerbe, der pharmazeutischen und der Verpackungsindustrie. Dabei wählen die Studierenden ihre Vertiefungsmodule fachlich passend zu dem jeweiligen Projektthema und erarbeiten sich so ihr individuelles fachliches Profil.

Das Studium ist darauf ausgerichtet, dass wesentliche Studienleistungen durch die praxisbezogenen Projekte erbracht werden. Diese Projekte werden häufig in Kooperation mit Unternehmen und Organisationen durchgeführt, was diesen einen praktischen Mehrwert liefert und es gleichzeitig den Studierenden ermöglicht, reale Probleme unter realen Bedingungen zu adressieren. Während die Studierenden an ihren Projekten arbeiten, haben sie stets digitalen Zugang zu den Ressourcen der Hochschule und sind in Netzwerke mit Ihren Kommilitonen und Betreuer*innen eingebunden. Sie stehen in kontinuierlichem Austausch miteinander, und außerdem finden stets zu Semesterbeginn und –ende persönliche Treffen der gesamten Gruppen an der Hochschule zu Projektbesprechungen statt.

FG: Wie ist es gelungen, diese Unternehmen und Organisationen einzubinden, und wie erfolgt das matching zwischen Studiengang und Praxispartnern? Sind dies in erster Linie lokale und regionale Partner?

CM: Viele Unternehmen erkennen die Herausforderungen der Nachhaltigkeit und arbeiten aktiv an Lösungen, stoßen jedoch im Alltag oft auf Engpässe, zum Beispiel bei Ressourcen und teilweise auch spezifischem Wissen. Unser Studiengang unterstützt durch einen bidirektionalen Wissenstransfer, von dem beide Seiten profitieren: Wir lernen von den Unternehmen und deren spezifischen Anforderungen, während diese unsere fachlichen Kompetenzen schätzen.

Derzeit arbeiten wir vorwiegend mit regionalen Partnern zusammen, sind aber offen, diesen Kreis zu erweitern. Unser hybrides Studienmodell ermöglicht den Studierenden, Projekte auch in weiter entfernten Unternehmen durchzuführen, da die Präsenzphasen flexibel gestaltet sind.

Das Matching erfolgt vielseitig: Unternehmen schreiben Projekte aus, auf die sich Studierende bewerben können, oder Studierende treten selbst mit Ideen an Unternehmen heran und entwickeln diese gemeinsam weiter. Zudem bieten wir als Hochschule interne Projektausschreibungen an.

FG: Was könnten sich andere Hochschulen bei der Einrichtung solcher Kooperationen von Ihnen abschauen?

CM: Offenheit im Austausch haben wir als wichtigen Schlüssel erlebt. Zu Beginn hatten wir im Kernteam, das sich um die Studiengangsentwicklung gekümmert hat, klare Vorstellungen, doch diese haben sich durch die Gespräche mit Unternehmensvertretern, Studierenden, politischen Akteuren und externen Fachvertretern ganz wesentlich weiterentwickelt. Dieser partizipative Ansatz hat uns sehr geholfen, die unterschiedlichen Perspektiven zu integrieren und den Studiengang so praxisnah wie möglich zu gestalten, und ihn dabei bestmöglich auf die Anforderungen von Unternehmen, Organisationen, aber auch Studieninteressierten zuzuschneiden.

Die im Studiengang absolvierten Projekte fördern gleichzeitig den zentralen Aspekt des Wissens- und Technologietransfers zwischen der Hochschule und den Unternehmen oder Organisationen bzw. der Wirtschaft. Durch die Integration von aktuellen Forschungsergebnissen und praxisrelevanten Projekten wird eine Brücke zwischen akademischer Forschung und industrieller Anwendung geschlagen. Dies unterstützt Unternehmen nicht nur bei der Lösung spezifischer Probleme, sondern trägt auch zur Entwicklung neuer, nachhaltiger Technologien und Strategien bei.

Zugleich wird so der regionale Wissenstransfer gestärkt, indem lokale Unternehmen und Organisationen gezielt gemeinsam mit der Hochschule an Projekten arbeiten, und damit die spezifischen Bedürfnisse lokaler Unternehmen adressiert werden. So entsteht ein innovatives Ökosystem, das dazu beitragen kann, die Region als Vorreiter für nachhaltige Entwicklung zu positionieren.

FG: Was für Instrumente nutzen Sie, um diese Transferarbeit im Rahmen des Studiengangs zu steuern, fördern und gestalten?

CM: Wir setzen auf ein umfassendes Mentoring-System: Die Studierenden werden von Professoren, Unternehmensvertretern und erfahreneren Kommilitonen betreut. Zusätzlich entwickeln wir eine Wissensdatenbank mit "Best Practices" und “Lessons Learned”, die den Studierenden hilft, sich schnell und effektiv in neue Themen einzuarbeiten.

Darüber hinaus ist es uns wichtig, die Studierenden in professionelle Netzwerke und Interessengruppen einzubinden. Wir unterstützen Konferenzteilnahmen und freuen uns darauf, dass unsere Studierenden erste Projektergebnisse bald veröffentlichen können.

FG: Was ist ihre spezifische Zielgruppe an Studieninteressent*innen?

CM: Unsere Zielgruppe zeichnet sich durch Selbstständigkeit und eine hohe Motivation aus. Entscheidend ist weniger das Alter oder der spezifische fachliche oder berufliche Hintergrund, sondern die Bereitschaft, sich eigenverantwortlich mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und kreative, auch interdisziplinäre, Lösungsansätze zu entwickeln. Die Projekte erfordern häufig individuelle Problemlösungen, bei denen Eigeninitiative und fachliche Neugier gefragt sind.

Die Flexibilität des Studienprogramms ist besonders bemerkenswert: "Sustainability Studies" ist so gestaltet, dass es eine hohe Vereinbarkeit mit einer Berufstätigkeit ermöglicht. Viele Studieninhalte sind online verfügbar und erlauben es den Studierenden, ihr Lernpensum entsprechend ihrer beruflichen und persönlichen Verpflichtungen anzupassen. Regelmäßige Präsenztermine sowie andere Austauschformate unterstützen den persönlichen und fachlichen Austausch und fördern den Aufbau eines professionellen Netzwerks.

FG: Um die eingangs erwähnten Dimensionen von Nachhaltigkeit wieder aufzugreifen – welche Vision von Transformation verfolgen Sie mit dem Studiengang? Welche "Transformationskompetenzen" nehmen Ihre Absolvent*innen mit?

CM: Die Relevanz des Studiengangs ergibt sich nicht nur aus seiner Anpassungsfähigkeit und seiner praktischen Ausrichtung, sondern auch aus der zentralen Bedeutung der Nachhaltigkeitsthemen für Unternehmen und andere Organisationen. Mit einem Curriculum, das aktuelle Themen aus dem Nachhaltigkeitsbereich adressiert, bereitet "Sustainability Studies" die Studierenden darauf vor, zentrale Aufgaben in der Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft und Wirtschaft zu übernehmen.

Unsere Absolvent*innen sind damit Gestalter*innen des Wandels: Sie bringen ein fundiertes Verständnis für die ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen mit und haben die Fähigkeit, diese interdisziplinär zu analysieren und Lösungen zu entwickeln. Sie vereinen technische, naturwissenschaftliche, betriebswirtschaftliche und rechtliche Kompetenzen mit Soft Skills wie Kreativität, Problemlösungsvermögen, Resilienz, Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Jeder Absolvent und jede Absolventin entwickelt dabei ein individuelles Profil, das zu den eigenen Vorkenntnissen und Interessen passt.

Schließlich ist der Studiengang in seinem Kern interdisziplinär ausgerichtet, ein Rahmen für den Austausch zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Dies fördert nicht nur einen breiteren Blickwinkel, sondern auch die Entwicklung innovativer, disziplinübergreifender Lösungen für komplexe Nachhaltigkeitsprobleme. Weiterhin soll interkulturelles Lernen zunehmend eine Rolle spielen. Der Studiengang ist größtenteils auf Englisch studierbar und bereitet die Studierenden somit auf grenzüberschreitende Lebenswege vor.  

FG: Bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen sind gezielt auch international Unternehmenspartner*innen eingebunden. Welche Rolle spielt hier das Thema Interkulturalität in Bezug auf Nachhaltigkeit und was möchten Sie Studierenden hier mitgeben?

CM: Nachhaltigkeitsfragen sind stark vom kulturellen Kontext geprägt. Die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern hilft unseren Studierenden, globale Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der nachhaltigen Entwicklung zu erkennen. Dabei legen wir großen Wert auf interkulturelle Kommunikationskompetenz. Unsere Studierenden lernen dabei, verschiedene kulturelle Perspektiven einzunehmen und zu verstehen, wie soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte in unterschiedlichen Kulturen gewichtet werden.

Darüber hinaus fördern wir internationale Projekte und interkulturelle Teamarbeit. Unsere Studierenden sollen lernen, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die grenzüberschreitend und kulturell anpassungsfähig sind.

FG: Erhoffen Sie sich, dass die Absolvent*innen des SUS-Studiengangs auch bei der konkreten Transformation Ihrer eigenen Region mitarbeiten? Oder liegt der Fokus eher darauf, globale Akteure*innen auszubilden?

CM: Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Absolvent*innen die Transformation unserer Region aktiv mitgestalten. Nachhaltige Entwicklungen beginnen oft lokal, und es ist uns wichtig, die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen. Gleichzeitig vermitteln wir ein globales Verständnis und die Fähigkeit, regionale Lösungen mit internationalen Nachhaltigkeitszielen zu verknüpfen. Unsere Absolvent*innen sind so in der Lage, Impulse sowohl regional als auch global zu setzen.

FG: Wie lange hat es von Konzeption bis zur finalen Einrichtung gebraucht? Woher kam der initiale Impuls für dieses Vorhaben?

CM: Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen pflegt einen kontinuierlichen Austausch mit der regionalen Wirtschaft sowie Verbänden und Organisationen, und wir bemühen uns, hier Impulse aufzugreifen. So ist Nachhaltigkeit seit Langem ein wichtiges Thema in mehreren unserer Studiengänge. Gleichzeitig beobachten wir natürlich die globalen Entwicklungen.

Der offizielle Startpunkt für diesen neuen Studiengang war der Struktur- und Entwicklungsplan für 2023–2027, der im Juni 2022 vom Hochschulrat und Senat verabschiedet und vom Ministerium bestätigt wurde. Dieser Plan sieht vor, dass wir als Hochschule verstärkt Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Interdisziplinarität in den Fokus rücken und konkrete Lösungen mit modernen Lehr- und Lernmethoden kombinieren. Nach diesem Beschluss hat es gut zwei Jahre gedauert, bis der Studiengang starten konnte. In dieser intensiven Zeit konnte das Konzept des Studiengangs in einem großartigen Team entwickelt und verfeinert werden, hin zu dem Modell, mit dem wir jetzt die ersten sehr guten Erfahrungen sammeln.

FG: Vielen Dank!

CM: Vielen Dank für das Interesse und für die Gelegenheit, unseren neuen Studiengang hier vorzustellen!

Kontakt und weitergehende Informationen:

Prof. Dr. Clemens Möller

Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Web: www.hs-albsig.de/sus

E-Mail: sus@hs-albsig.de

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