March 17, 2025

Den Gefühlen auf der Spur

Jens Poggenpohl
Redaktion und Kommunikation
Zwei Projekte des Wissenschaftsverbunds diskutieren in einem gemeinsamen Workshop mit Expert*innen das „Erlebnis Partizipation“.

Was haben die Gruppen der Konstanzer Fasnet und die ehrenamtlich Engagierten eines Sportfests gemeinsam? Kann man von einem uralten Brauch wie dem Silvesterchlausen in Appenzell-Außerrhoden etwas über politische Beteiligungsprozesse lernen? Diese Fragen bildeten Anfang März den Ausgangspunkt für einen gemeinsamen Workshop der Projekte BePart und LeKuLab, die sich im Rahmen des Programms „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ des Wissenschaftsverbunds mit Partizipation in der Vierländerregion befassen. Im Austausch mit rund 50 Praktiker*innen aus der Region widmeten sie sich vor allem der persönlichen Komponente der Teilhabe: dem „Erlebnis Partizipation“.

Zwischen Baum und U-Bahn

Aber was genau macht Partizipation zu einem Erlebnis für Menschen? Was macht es mit ihnen? Und wie kann man dieses Wissen nutzen, um zu Partizipation zu motivieren und diese zu wahren? Drei Leitfragen bestimmten den Nachmittag in der FH Vorarlberg in Dornbirn, an dem beide Projekte zunächst ihre bisherigen Erkenntnisse teilten.

BePart hat acht Projekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert, wobei der Beteiligungsbegriff dabei bewusst weit gefasst war. Er reichte von genuin politischen Aktivitäten der Arbeit eines Jugendklimarats oder dem Dialog zu einem umstrittenen Straßenbauprojekt bis hin zum Engagement für die Schaffung bzw. den Erhalt von Dritten Orten oder einer BMX-Bahn. Das Erlebnis Partizipation lässt sich demnach im Bild eines Baums fassen: mit den Erwartungen und Grundhaltungen der Teilnehmenden als Wurzel, den Motivatoren und Treibern als Wachstumsfaktoren sowie den – positiven wie negativen – Erlebnissen und der Entwicklung, die sie anstoßen, als Baumkrone und Früchte – die zugleich wieder den Kern für zukünftiges Engagement in sich tragen.

Der "Partizipationserlebnisbaum" aus Sicht des Projekts BePart

Besonders intensiv hat das BePart-Projetteam das Hypomeeting in Götzis analysiert, ein Leichtathletik-Event der Extraklasse, das ohne den Einsatz zahlreicher Ehrenamtlicher undenkbar wäre. Die Befragten verstehen ihr Engagement aber nicht nur als sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft, als willkommene Freizeitaktivität oder inhaltlich interessant, wie Fabian Rebitzer von der FH Vorarlberg berichtete. „Zwischen 40 und 80 % der Befragten, je nach Entwicklungsdimension, haben ihre Partizipationserfahrung auch als positive persönliche Weiterentwicklung erlebt.“

Die vielfältigen Kategorien, die das Erlebnis des Lebendigen Kulturerbes ausmachen und Bindung (Teilhabe) befördern, hat das LeKuLab-Projekt nach Interviews mit 20 aktiven Fasnachtler*innen in das Bild eines U-Bahn-Fahrplans gebracht. Zu den Stützen der Traditionen, die sich womöglich gut auf andere Teilhabeformate übertragen lassen, zählen die Bedeutung des gemeinsamen Tuns, die flexiblen Organisationsprinzipien, die je nach Aufgabe stärkere oder losere Verknüpfungen erlauben, und die Bedeutung der Orte, die mit diesen Traditionen verbunden sind.

Aus Interviews mit Aktiven des Lebendigen Kulturerbes hat das LeKuLab-Projekt das Skelett der Traditionen freigelegt und es in das Bild eines U-Bahn-Fahrplans gebracht.

Spielerische Verbindungen

Den Workshop nutzte das LeKuLab-Projektteam, um mit Praktiker*innen den Prototyp eines Kartensets zu testen, das dazu beitragen will, in Teilhabeprojekten die richtigen Fragen zu adressieren, um die Verbindung zwischen Teilnehmenden zu vertiefen. Deutlich wurde dabei, dass es nicht zuletzt die sinnliche Erfahrung und die tiefe Emotionalität sind, die das starke Band bilden, das im Engagement für das Lebendige Kulturerbe erzeugt wird – eine Herausforderung für den Transfer in andere Partizipationsfelder. „Wir können aber festhalten: Im Kulturerbe stecken gesellschaftliche Ressourcen, die zu entdecken sich lohnt“, resümierte Liliana Heimberg von Zürcher Hochschule der angewandten Künste (ZHdK).

Im Workshop wurde der Prototyp eines Kartensets vorgestellt, das dazu beitragen soll, in Teilhabeprozessen die richtigen Fragen zu adressieren.

Das BePart-Projektteam reflektierte im parallelen Workshop gemeinsam mit Teilnehmer*innen, Initiator*innen und professionellen Prozess- und Projektbegleiter*innen ihre bisherigen Erfahrungen zur Erlebnisgestaltung von Partizipationsprojekten. Hieraus entstanden Ideen, wie Vor- und Nachphase von Partizipationsprojekten als wichtige Bestandteile auch für das Erleben der Teilnehmenden mitgedacht und bewusst gestaltet werden könnten, um Motivationen und Erwartungen bewusst einbeziehen und positive Erfahrungen und Erlebnisse auch nach Projektende reflektieren und weiterwirken lassen zu können.

Potenzial auch für andere Projekte

„Großes Potenzial“ sehen auch Julienne Rüeger und Lena Kuttler von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), die als Teammitglieder des Projekts Planetare Gesundheit am LeKuLab-Workshop teilnahmen. Dessen Impulse wollen sie nutzen, „um nachhaltige Gesundheitsförderung erfahrbar und greifbar zu machen, um so Transformationsprozesse anzustoßen“.

Am Projekt BePart (Partizipation (er)leben: Haltung und Begeisterung für Partizipationsprojekte weitergeben) sind folgende W4-Hochschulen beteiligt:

• Fachhochschule Vorarlberg GmbH (Lead)

• OST - Ostschweizer Fachhochschule

Am Projekt LeKuLab (Lebendiges Kulturerbe als Lernfeld für soziale Aushandlungsprozesse und gesellschaftlichen Zusammenhalt) sind folgende W4-Hochschulen beteiligt:

• ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Lead)

• Zürcher Hochschule der Künste ZHdK

• Fachhochschule Vorarlberg GmbH

• Hochschule Konstanz HTWG

Bildnachweise: Jens Poggenpohl, Brian Switzer

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