Vielfalt ist Alltag im Klassenraum – und sie nimmt immer weiter zu, auch in der Vierländerregion Bodensee. Doch die Ausbildung des Lehrpersonals nimmt darauf bislang noch kaum Rücksicht. Woran es vor allem fehlt, sind konkrete Ausbildungskonzepte und einfach umzusetzende Planungswerkzeuge. Diese Lücke wollen Forschende der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) und der Universität Konstanz füllen.
Ein erstes Projekt zur Stärkung der adaptiven Planungskompetenz hat 2024 in Form von je zwei Blockseminaren an den Partnerhochschulen stattgefunden. Nach einem „Theorietag“ hatten angehende Lehrkräfte der Sekundarstufe 1 und 2 hier die Aufgabe, in Kleingruppen bestehende Unterrichtsplanungen Ihrer Fachgebiete im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität zu überarbeiten. Den Rahmen dafür lieferten die „AlPako“-Kriterien, die Dr. Thomas Rey, Bereichsleiter Forschung & Entwicklung an der PHSG, für die Sekundarstufe 1 schon in seiner Zeit an der PH Heidelberg und der Universität Bamberg entwickelt hatte.
74 Studierende haben dieses Verfahren erprobt, und der Großteil von ihnen ist begeistert, zum Beispiel Marian Kiefer, Lehramtsstudent an der Universität Konstanz. Er hat eine Planung zum Umgang mit Fake News im Fachbereich Politik modifiziert und fand es „beeindruckend, wie leicht es im Endeffekt doch ist, den Unterricht adaptiv zu gestalten und so verschiedene Lerngruppen besser zu fördern“. Im Praxissemester hat er die „AlPako“-Kriterien1 als Handout genutzt. Samira Ziolko, Studentin PHSG, schätzt die „Checkliste“ ebenso als effektives Werkzeug. „Pro Klasse reichen schon zwei oder drei Varianten“, so ihre Erfahrung.
Die quantitative Analyse, die ermitteln wird, wie exakt sich die adaptive Planungskompetenz dank der Seminare entwickelt hat, läuft derzeit noch. Eindeutig ist aber schon das Ergebnis der qualitativen Befragung. „Freudig überrascht“ war Valentin Unger aus dem Projektteam der PHSG vor allem darüber, dass eine Vielzahl der Studierenden sich dafür aussprach, das Seminar als eine Art Pflichtmodul im Curriculum zu verankern. „Dies zeigt im Umkehrschluss aber zugleich den Handlungsbedarf beim doch sehr zentralen Thema Unterrichtsplanung“, und dies sowohl über Ländergrenzen als auch Hochschularten hinweg.
Ein durchaus erstaunlicher Befund angesichts der großen Systemunterschiede innerhalb des Projekts: hier eine deutsche Hochschule mit einer ausschließlichen Theoriefokussierung bis zum ersten Praxissemester, dort das alternierende Modell einer Schweizer Pädagogischen Hochschule. Doch ob nun ein Student wie Marian Kiefer bei sich selbst in Sachen Heterogenität „einen ziemlich großen blinden Fleck“ beobachtet hat oder Samira Ziolko „sich an differenzierte Unterrichtsplanung vorher nie herangetraut hat, weil mir oft nicht klar war, was es genau bedeutet“: Im Endeffekt haben beide erst mit dem Seminar das nötige Handwerkszeug dafür erhalten. Für das Forscherteam steht fest: Sie wollen ihren Werkzeugkasten in den nächsten Jahren möglichst vielen angehenden und erfahrenen Lehrkräften der Region zur Verfügung stellen.
1Die allgemeindidaktischen Kriterien zur Erfassung adaptiver Planungskompetenz im Umgang mit Heterogenität (kurz: AlPako) sind empirisch geprüft (vgl. Rey, Unger & Lohse-Bossenz, 2023). Die 10 Kriterien leiten (angehende) Lehrpersonen in ihrem Planungsprozess an, um auf die Heterogenität in ihren Klasse adäquat einzugehen. Die Kriterien können direkt zu Beginn des Planungsprozesses herangezogen werden oder sie werden genutzt, um zu prüfen, ob die erstellte Unterrichtsplanung adaptiv auf die Voraussetzungen der jeweiligen Lerngruppe ausgerichtet ist.
Rey, T., Unger, V., & Lohse-Bossenz, H. (2023). Allgemeindidaktische Kriterien zur Erfassung einer adaptiven Planungskompetenz im Umgang mit Heterogenität (AlPako). Validierung eines Testinstruments. Journal for Educational Research Online (JERO), 15(2), 183-204. https://doi.org/10.31244/jero.2023.02.03
Bildnachweis: Angela Lamprecht