Um 15.48 Uhr, unter TOP 2 der Tagesordnung, wurde es historisch an diesem 10. Oktober 2022 in Kreuzlingen: Alle anwesenden Vertreter*innen von Hochschulen aus der gesamten Vierländerregion hoben den Arm – und beschlossen damit die Gründung eines neuen Dachs für ihre Zusammenarbeit: des Wissenschaftsverbunds Vierländerregion Bodensee. Genau 31 Minuten zuvor hatten sie in ihrer Funktion als Mitglieder des Kooperationsrats der Internationalen Bodensee-Hochschule (IBH) mit einer ebenso historischen Entscheidung die Grundlage für diesen Beschluss gelegt: als sie nämlich die Auflösung der IBH zum Ende des Jahres beschlossen.
„Damit ist für uns als Kooperationsrat die IBH Geschichte – ich freue mich auf die nächste Geschichte!“, erklärte der Vorsitzende Gernot Brauchle. Wenig später wurde der Rektor der PH Vorarlberg auch zum ersten Kooperationsvorsitzenden des Wissenschaftsverbunds gewählt. Zum Start gehören dem Verbund 25 Universitäten und Hochschulen aus Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz an.
Mit dem Beschlussmarathon der Abschluss- und Gründungssitzung endete eine „Achterbahnfahrt der Gefühle“, wie Brauchle die mehr als zweijährige Vorbereitungszeit bezeichnete. Die Anti-Stress-Bälle, dies als Erinnerung verteilt wurden, hatten sich die Anwesenden verdient, denn insbesondere juristisch war diese Geburt zuweilen eine schwere. Ein kurioses Detail mag dies illustrieren: Damit die Gründung der Wissenschaftsverbunds rechtsgültig wird, bedarf es der Bekanntmachung im Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg. Dessen letzte Ausgabe erscheint in diesem Jahr am 28. Dezember – weshalb bis zum 31. Dezember IBH und Wissenschaftsverbund vier Tage lang parallel existieren werden, was wiederum eine Regelung dieser Übergangsperiode erforderlich machte.
Doch darüber konnte man an diesem Tag schmunzeln, schließlich ist der Fortschritt, den das neue Konstrukt bedeutet, substanziell: Während die IBH formal ein Projekt der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) war, wird der Wissenschaftsverbund von den Mitgliedshochschulen selbst getragen und kann als Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) als eigenständige Rechtsperson agieren. So darf er unter anderem selbst EU-Gelder und sonstige Drittmittel beantragen und diese unter seinen Mitgliedern verteilen. „Das neue europäische Gesellschaftsrecht des EVTZ gibt uns darüber hinaus vielfältige Kooperationsmöglichkeiten, die wir heute noch gar nicht vollständig überblicken“, ist Brauchle überzeugt.
„Ich blicke optimistisch und mit Vorfreude in die Zukunft“, erklärte Dorothea Debus, Prorektorin an der Universität Konstanz, wohl stellvertretend für viele Teilnehmer*innen.
Debus gehört dem Vorstand des Wissenschaftsverbunds ebenso an wie Mechthild Becker (Hochschule Kempten) Sabine Rein (HTWG Konstanz) und Horst Biedermann (PH St.Gallen). Die Besetzung des Leitungsgremiums spiegelt damit die Vielfalt des Verbunds, die von internationalen Spitzenuniversitäten bis zu Musik- und Kunsthochschulen reicht.
Die Zusammenarbeit der Mitglieder zu organisieren und zu vertiefen, ist eine der Kernaufgaben des Wissenschaftsverbunds. Dass davon auch die über 115.000 Studierenden der Hochschulen unmittelbar profitieren können, zeigte gleich die Gründungssitzung. Denn eine hier verabschiedete Rahmenvereinbarung ermöglicht es ihnen ab dem Herbst- bzw. Wintersemester 2023 erstmals, im Rahmen eines bestimmten Kontingents und Kriterien das gesamte Lehrangebot des Verbunds nutzen – auch dies ein durchaus historischer Beschluss.
Es gab also einigen Grund zum Feiern an diesem besonderen Tag. Vor dem Apéro gratulierte Regierungsrat Alfred Stricker, Vorsteher des Departements Bildung und Kultur von Appenzell Ausserrhoden und IBK-Vorsitzender 2022, zu einem Ausrufezeichen für die grenzübergreifende Zusammenarbeit. Er erinnerte an die mehr als 20 Jahre währende Erfolgsgeschichte der IBH, die von den Länderchefs der zehn mit dem Bodensee verbunden Länder und Kantone immer wieder als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet wurde, und beschwor die auch künftig enge Verbindung:
„Wir freuen uns, als Partner auf Augenhöhe die Zukunft des Verbunds mitzugestalten und relevante Impulse zur Realisierung der Ziele des IBK-Leitbilds zu erhalten.“